Werte und Währungen – wie dein innerer Wechselkurs dein Leben steuert

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Vielleicht kennst du diesen Moment: Du sitzt spätabends am Laptop, eigentlich wolltest du längst Feierabend machen, und plötzlich schleicht sich dieser Gedanke ein:

„Wofür mache ich das eigentlich alles? Ist das wirklich der richtige Weg für mich?“

Manchmal sind es auch die leisen Zwischentöne – ein Blick aus dem Fenster ins Sommerlicht, eine Nachricht einer Freundin, die du schon wieder auf später verschieben musstest – die diese Frage in dir auslösen: Setze ich meine Lebenszeit gerade richtig ein?

Die meisten unserer Entscheidungen, ob groß oder klein, treffen wir nicht nur rational, sondern auch unbewusst – geleitet von etwas Tieferem: unseren Werten. Oft sind sie uns nicht einmal bewusst, und doch wirken sie wie ein unsichtbarer Kompass, der uns durchs Leben navigiert. Genau hier setzt die Metapher vom inneren Devisenmarkt an.

Stell dir vor, deine Werte sind wie verschiedene Währungen: Jede hat ihren eigenen „Kurs“, also Bedeutung und Stärke in deinem Leben. Manche Währungen wie „Leistung“ oder „Anerkennung“ sind vielleicht hoch im Kurs, weil du sie seit deiner Kindheit oft „gehandelt“ hast. Andere wie „Freiheit“ oder „Verbundenheit“ sind vielleicht erst neu auf dem Markt – erfolgsversprechend, aber sie müssen sich erst noch behaupten. Oder sie sind so selbstverständlich verbreitet, dass sie unterschätzt werden und manchmal aus dem Blickfeld verschwinden.

So wie sich auf einem echten Finanzmarkt Kurse verändern können, kannst auch du deine inneren Wechselkurse bewusst beeinflussen. Du entscheidest, welche Währungen in deinem Alltag an Wert gewinnen – und welche an Kaufkraft verlieren dürfen. Dieses Bild hilft, unbewusste Prägungen sichtbar zu machen und deine Zeit und Energie so zu investieren, dass sie wirklich zu deinen heutigen Bedürfnissen passen.

Der persönliche Wechselkurs – wenn Prägung den Kurs bestimmt

Nehmen wir das Beispiel von Jonas:

Sein Vater ist in einer Familie aufgewachsen, in der Hochleistung im Mittelpunkt stand. Leistungssport prägte den Alltag – nur der Beste gewinnt, und wer vorne steht, bekommt Anerkennung. Diese Haltung gab er an Jonas weiter, nicht aus Strenge, sondern weil er es selbst so gelernt hatte: Ein prestigeträchtiger Job, viel Geld verdienen, Erfolge vorweisen, besser sein als die anderen – all das galt als sichere Währung für Zuneigung, Respekt und Liebe.

Jonas übernahm diese Werte als Maßstab für sein Leben. Kein Wunder also, dass er in einem Beruf gelandet ist, in dem genau die Werte Leistung, Anerkennung und Prestige hoch gehandelt werden.

Gleichzeitig hatte Jonas schon immer eigene, tief verankerte Werte: Zwischenmenschlichkeit, Tiefe, Verbundenheit, Liebe, Zuneigung, Freiheit, Gerechtigkeit.

Privat lebte er nach diesen Werten – sie prägten seine Freundschaften, seine Freizeit, seine Art, Beziehungen zu gestalten. Und doch verbrachte er den Großteil seiner Zeit in einem beruflichen System, das diese Werte kaum anerkannte. Stattdessen „bezahlte“ er mit Überstunden, Anpassung und dem Zurückstellen eigener Bedürfnisse – nur, um weiterhin die „harten Währungen“ seiner Prägung im Umlauf zu halten.

Wenn Werte zu Zahlungsmitteln werden

Mit der Zeit begann Jonas, seine Werte wie Währungen zu betrachten.

In ihm gibt es einen inneren Devisenmarkt. Je nachdem, wie der aktuelle Wechselkurs steht, investiert er (Zeit, Energie, Aufmerksamkeit) in verschiedene Währungen.

Bisher war sein persönlicher Kurs so eingestellt:

  • Leistung, Anerkennung, Geld/Sicherheit – hoher Wert
  • Zwischenmenschlichkeit, Erfüllung, Freiheit, Tiefe, Liebe, Zuneigung, Gerechtigkeit, Verbundenheit – niedriger Wert

Kein Wunder, dass er sich immer wieder für Überstunden statt für den Anruf bei einem Freund entschied.

Nicht, weil ihm seine Freunde nicht wichtig waren, sondern weil der „Wechselkurs“ in seinem Inneren einfach andere Prioritäten vorgab.

Inflation im Herzen – und bewusste Kursänderungen

Um sein Leben mehr nach dem auszurichten, was ihn wirklich erfüllt, begann Jonas bewusst an seinem inneren Markt einzugreifen:

  • Die Währungen Leistung, Anerkennung, Geld durften etwas von ihrer Kaufkraft verlieren – eine kleine, geplante Inflation.
  • Die Währungen Liebe, Gerechtigkeit, Verbundenheit durften im Wert steigen.

So konnte er sein „Gesamtvermögen“ – seine Zeit, Energie, Aufmerksamkeit – neu verteilen.

Stand er vor der Entscheidung, einen schlechter bezahlten Job anzunehmen, der ihm aber mehr Erfüllung und zwischenmenschliche Nähe brachte, schaute er auf seinen neuen, selbstbestimmten, inneren Kurszettel. Er fragte sich:

  • Welche Währung will ich gerade stärken?
  • Welche darf bei dieser Entscheidung an Bedeutung verlieren?

Warum diese Sichtweise wertvoll für dich ist

Das Bild vom inneren Devisenmarkt macht Entscheidungen greifbarer. Es hilft, unbewusste Glaubenssätze aus der Kindheit zu erkennen und zu hinterfragen.

Es eröffnet die Möglichkeit, aktiv zu gestalten, welche Werte das eigene Leben leiten – statt automatisch auf den „alten Kursen“ zu handeln.

Gleichzeitig ist der persönliche Wechselkurs höchst individuell:

Was für den einen total wichtig ist, spielt für den anderen vielleicht nur eine Nebenrolle. Manche Menschen setzen Sicherheit ganz oben an, andere Freiheit, wieder andere Nähe.

Dieser individuelle Kurs wirkt nicht nur auf berufliche Entscheidungen – er prägt auch Beziehungen.

Wenn Nähe im inneren Währungssystem niedrig bewertet ist, fällt es schwer, Zeit in tiefe Beziehungen zu investieren. Wenn Anerkennung sehr hoch steht, kann das zu Abhängigkeiten in Partnerschaften oder Freundschaften führen. Wenn Gerechtigkeit im Wert steigt, kann das Mut machen, Konflikte anzusprechen und Beziehungen auf ein ehrlicheres Fundament zu stellen.

Vielleicht spürst du beim Lesen, dass auch in dir verschiedene Währungen im Umlauf sind.

Manche davon hast du geerbt, manche selbst geprägt, manche sind vielleicht längst veraltet – und trotzdem bestimmen sie deine Entscheidungen und deinen Umgang mit anderen Menschen.

In der systemischen Therapie können wir gemeinsam deinen inneren Devisenmarkt erkunden, Werte neu gewichten und so die Weichen stellen für ein Leben – und Beziehungen – die dich wirklich erfüllen.

Denn die wertvollste Rendite ist ein Alltag, in dem deine wichtigsten Währungen frei fließen dürfen.