Immer besser, immer mehr – wie der Kapitalismus unser Selbstbild prägt
Das große Ganze ins Persönliche holen
Wir leben in einer Welt, die von Leistung und Optimierung geprägt ist. Der Kapitalismus hat nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch unsere Kultur und unser Selbstverständnis tief beeinflusst. Das zeigt sich im Alltag: Wir messen unseren Wert daran, wie produktiv wir sind, wie erfolgreich wir wirken – und sogar daran, wie unser Körper aussieht.
Der innere Druck – wenn die Gesellschaft in uns spricht
Viele meiner Klient*innen beschreiben das Gefühl, nie genug zu sein. Selbst wenn im Außen keine konkrete Forderung gestellt wird, läuft im Inneren ein unermüdlicher Antreiber: Sei besser. Sei schöner. Sei disziplinierter. Sei erfolgreich.
Dieser innere Perfektionismus spiegelt die Logik des Marktes wider: Stillstand bedeutet Verlust. Wachstum ist Pflicht. So wird das Selbst zum „Projekt“, das ständig optimiert werden muss.
Körper als Statussymbol
Unser Körper ist längst nicht mehr nur unser Zuhause, sondern auch eine Art Visitenkarte. Schönheit, Fitness und Jugend werden zum Kapital – sie symbolisieren Disziplin, Erfolg und Anpassungsfähigkeit. Und wir übernehmen diese Logik oft unbewusst, indem wir unseren Körper wie ein Produkt behandeln, das marktfähig bleiben muss.
Die Folgen für unser inneres System
Doch der Preis ist hoch: Ständiger Druck, innere Erschöpfung, Scham über das vermeintliche „Nicht-genug-sein“. Unser inneres System gerät in Stress, weil es ständig im Modus von Selbstoptimierung, Selbstkritik und Abwertung arbeitet.
Wie kann ein Ausstieg gelingen?
Einen vollständigen Ausstieg aus dieser kulturellen Prägung gibt es kaum – sie ist tief in uns allen verankert. Doch es ist möglich, bewusst einen Schritt zur Seite zu treten und neue Umgangsformen zu entwickeln:
- Selbst-Mitgefühl statt Selbst-Optimierung: Die Frage verschieben von „Wie kann ich besser werden?“ hin zu „Wie kann ich freundlicher mit mir umgehen?“
- Körper als Beziehungspartner: Den Körper nicht als Produkt, sondern als Gefährten wahrnehmen – mit Bedürfnissen, Grenzen und Weisheit.
- Gemeinschaft statt Konkurrenz: Räume suchen oder gestalten, in denen Wert nicht an Leistung gekoppelt ist. Dort, wo Zugehörigkeit nicht erarbeitet werden muss.
- Systemisches Denken üben: Erkennen, dass der innere Druck nicht „mein persönliches Versagen“ ist, sondern Ausdruck eines kulturellen Systems. Schon dieses Bewusstsein kann entlasten.
Schlussgedanke
Kapitalistische Logiken haben unseren Blick auf uns selbst geprägt. Doch wir sind nicht gezwungen, ihnen blind zu folgen. In dem Moment, in dem wir innehalten, hinschauen und uns für einen anderen Umgang entscheiden, schaffen wir Räume der Freiheit. Räume, in denen wir nicht Produkt sein müssen, sondern Mensch sein dürfen. Wenn du merkst, dass der Druck zur ständigen Selbstoptimierung dich belastet, unterstütze ich dich gerne dabei, einen liebevolleren Umgang mit dir selbst zu finden.
Paulina Gräfe